Fleuthkuhlen

Beim Naturschutzgebiet Fleuthkuhlen handelt es sich um einen 588 ha umfassenden Niedermoorkomplex in der Niederung der Issumer Fleuth. Durch Flächenkäufe konnten in den letzten 10 Jahren über 1/4 des Gebietes dauerhaft gesichert werden. Hier ist besonders das Engagement der NRW-Stiftung zu erwähnen, die 1991 mit dem Ankauf des ehemaligen Gutes Beerenbrouck den Auftakt machte. Auf Antrag des NABU Kleve erwarb die NRW-Stiftung damals ca. 100 ha Land. Die Besonderheit dabei: Ca. 40 % der angekauften Flächen waren für den Naturschutz uninteressante Ackerflächen. Nach umfangreichen Vorarbeiten der ehrenamtlichen Naturschützer und mit fachlicher Unterstützung des Amtes für Agrarordnung wurden in den Folgejahren diese Ackerflächen gegen Kuhlengewässer, Feuchtgrünland und Bruchwaldreste getauscht. Ein zusammenhängender Flächenkomplex entstand. Ergänzend hierzu wurden weitere Flächen im Gebiet durch die NRW-Stiftung gekauft, sodass sich aktuell ca. 145 ha in ihrem Eigentum befindet (Stand Mitte 2007). Auch das Land NRW und der Kreis Kleve engagierten sich im kleineren Umfang bei den Flächenkäufen.

Die Flächen der NRW-Stiftung wurden von Anfang an durch das u.a. zu diesem Zweck gegründete Naturschutzzentrum Gelderland betreut. Im Auftrag der Stiftung und in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden und naturschutzfachlichen Einrichtungen konnte das Naturschutzzentrum auf diesen Flächen in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen planen und umsetzen, die dem Erhalt und der Optimierung der ökologisch wertvollen feuchten Lebensräume dienen. Mit der Wiederanbindung eines Altarms der Issumer Fleuth an das Hauptgewässer konnte Anfang 2005 eine erste Maßnahme des Konzeptes zur Teilrenaturierung der Fleuthaue im Bereich der stiftungseigenen Flächen umgesetzt werden. Bereits im Frühjahr 2001 legte das Naturschutzzentrum im Auftrag des Landes NRW und des Kreises Kleve ein Gewässerkonzept für das gesamte Naturschutzgebiet vor.

Lage und Größe

Das Naturschutzgebiet Fleuthkuhlen liegt im Dreieck Geldern – Issum – Geldern-Kapellen in der moorigen Niederung der Issumer Fleuth, einem Nebengewässer der Niers. Es handelt sich um ein Niedermoorgebiet mit zahlreichen Gewässern (“Kuhlen”), die ihre Entstehung der Torfgewinnung im 18. und 19. Jahrhundert und dem anschließenden, bis heute andauernden Verlandungsprozess der Torfkuhlen verdanken.

1986 wurden zunächst vier Teilbereiche des Gebietes unter Naturschutz gestellt (Gaisberg, Wörchem, Finkenhorst und Witthey, ca. 356 ha). Mit dem Rechtskräftigwerden des Landschaftsplans Geldern-Issum 1999 erfolgte eine Vernetzung von drei der Teilgebiete über die Niederung der Issumer Fleuth. Heute umfasst das Schutzgebiet 588 ha.

Naturkundliche Besonderheiten des Gebietes

Biotoptypenvielfalt

Charakteristisch für das Gebiet ist die große Vielfalt unterschiedlicher Biotope auf engem Raum: Offene Gewässer mit Verlandungszonen und vollständig verlandete Bereiche mit Schilfröhrichten und Seggenrieden liegen umgeben von Weidengebüschen und natürlich entstandenem Erlenbruchwald wie an einer Perlenkette aufgereiht in den torfigen Niederungen. Daneben existiert auch beweidetes Feuchtgrünland. Diese vielfältige Sumpf- und Moorlandschaft wird in ihren höhergelegenen Randbreichen ergänzt durch trockene Eichen-, Buchen- und Nadelwälder und bietet Lebensraum für zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten.

Tierwelt

In den Röhrichten brüten seltene Vogelarten wie Wasserralle und Zwergtaucher, möglicherweise auch die heimlich lebenden Arten Bekassine und Krickente. Insgesamt 75 brütende Vogelarten wie wie Haubentaucher, Reiherente, Teich- und Blesshuhn, Sumpf- und Teichrohrsänger, Sperber, Schwarz- und Grünspecht konnten in den letzten 10 Jahren festgestellt werden. Dazu kommen mindestens 23 rastende, durchziehende oder Nahrung suchende Vogelarten wie Tafel- und Löffelenten, Weißstorch, Graureiher, der Turmfalke oder selten auch ein Baumfalke. 28 Libellenarten leben an den Kuhlen- und Fließgewässern und zeigen damit, dass alle wichtigen Teillebensräume eines Libellenlebens – Gewässer für die Laven, strukturreiche Ufer für die ungestörte Verwandlung zum erwachsenen Tier , Nahrungsbiotope abseits der Gewässer – in der richtigen Qualität und im richtigen Verhältnis vorhanden sind. Die seltenen Moorfrösche und andere Amphibien finden hier ebenfalls eine feuchte Heimat. Im Fließgewässersystem der Issumer Fleuth, aber auch in den in Gräben und Kuhlen leben gefährdete Kleinfischarten wie Steinbeißer, Bitterling und der urtümliche Schlammpeitzger. Nicht zuletzt bieten die Waldbereiche des Gebietes Lebensraum für viele Fledermausarten.

Der schillernde Eisvogel baut seine Brutröhren an geeigneten steilen Uferabschnitten der Issumer Fleuth.

Der Spitzenfleck, eine seltene und NRW-weit stark gefährdete Libellenart, ist in den Fleuthkuhlen häufig  zu beobachten.

Wasserfrösche finden in den Fleuthkuhlen  ideale Laichgewässer und Sommer- und Überwinterungs-Lebensräume.

Aus Afrika stammende Nilgänse, suchen in den Fleuthkuhlen zunehmend ihre meist in den Bäumen angelegten Brutplätze.

Schlammpeitzger

Dieser Fisch hat in manchen Gegenden auch den merkwürdigen Spitznamen “Furzgrundel”: er schluckt Luft, die er geräuschvoll wieder entlässt. Das hilft ihm beim Überleben auch im sauerstoffarmen Schlamm der Gewässer. Denn anders als andere Fische kann er auch über den Darm Sauerstoff aufnehmen und ist nicht nur auf die Kiemenatmung angewiesen. .

Pflanzenwelt

In den Fleuthkuhlen finden weit über 350 Pflanzenarten ihren Lebensraum, von denen 35 auf der „Roten Liste“ der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Arten stehen und weitere 14 als Arten der „Vorwarnliste“ einen deutlichen landesweiten Bestandrückgang aufweisen – dies zeigt die große Bedeutung des Gebietes als Rückzugsort für andernorts bedrohte Pflanzen. Dazu zählen als Besonderheiten der Flora seltene Arten der Röhrichte und Riede wie die Deutsche Schneide, Gagel, Sumpf-Calla, Zungen-Hahnenfuß, Sumpf-Blutauge oder Sumpf-Greiskraut. Charakteristisch für die sumpfigen Erlenbruchwälder sind mehrere Seggenarten. Ebenfalls in nassen Wäldern, aber auch in einigen Gräben bildet die Wasserfeder im Frühjahr weiße Blütenteppiche.

Die Deutsche Schneide ist ein imposantes, bis zu zwei Meter großes Sauergras. Ihren Namen verdankt sie den Blättern mit kleinen, nach vorn gerichteten rasiermesserscharfen Zähnchen am Rand, die die Haut schmerzhaft durchschneiden können. Die Pflanze wächst typischerweise in der Verlandungszone nährstoffarmer, kalkreicher Gewässer und kann undurchdringliche Dickichte bilden. Die Schneide gilt als „lebendes Fossil“ aus der nacheiszeitlichen Wärmezeit, in deren mildem Klima sie optimale Wuchsbedingungen an den damals weit verbreiteten nährstoffarmen, kalkhaltigen Gewässern fand.

Die Art ist heute in Nordrhein-Westfalen durch Eutrophierung und Trockenlegung der Standorte stark gefährdet und hat ihren Schwerpunkt im Niederrheinischen Tiefland. Im Kreis Kleve kommt die Schneide außerdem nur noch bei Straelen vor. Diese Vorkommen bilden zusammen mit einigen weiteren im Kreis Viersen die bedeutendsten in Nordrhein-Westfalen. Sonst ist die Art sehr spärlich im norddeutschen Tiefland verbreitet. Häufiger ist sie im Alpenvorland, in Thüringen und Sachsen.

Der zarte Sumpf-Lappenfarn ist eine kennzeichnende Art der Niedermoore und Bruchwälder. Landesweit gefährdet, kommt er in den Fleuthkuhlen noch in großen Beständen in Erlenbruchwäldern und unter Grauweidengebüsche vor, bildet aber auch typische Röhrichte in den Verlandungszonen der Kuhlengewässer.

Die Rispen-Segge ist eine weitere typische Verlandungspflanze von Niedermoor-Gewässern. Sie kann in mächtigen Bulten wachsen und in der Verlandungszone schwimmende Schwingdecken bilden.

Die Weiße Seerose – eine der schönsten Pflanzenarten der offenen Kuhlengewässer. Leider ist sie nur noch auf wenigen Gewässern zu finden, während ihre „Kollegin“, die Gelbe Teichrose oder Mummel, noch häufiger anzutreffen ist.

Gefährdung

Wie vielerorts ist die Vielfalt der von Wasser geprägten Lebensräume auch im Umfeld der Fleuthkuhlen durch den tiefgreifenden Landschaftswandel der vergangenen 50 bis 100 Jahre bereits stark beeinträchtigt worden. Mit der Begradigung der Haupt-Gewässerläufe und in der Folge der landwirtschaftlichen Melioration wurde der Wasserhaushalt der Gebiete verändert, so dass die nassen, langfristig überfluteten Bruchwälder heute nur noch kleinflächig vorhanden sind. Ausgedehnte Röhrichte wurden und werden weiterhin von Weidengebüschen verdrängt. Regelmäßige Überschwemmungen der Aue bleiben aus, unter dem agrarpolitischen Druck zu immer steigender Produktion wurden auch gewässernahe Flächen intensiver bewirtschaftet und z.T. auch in die Ackernutzung genommen. Vor allem anhaltende Nährstoffeinträge sowohl aus der Luft als auch durch Auswaschung aus landwirtschaftlichen Flächen lassen nährstoffempfindliche Arten und Lebensgemeinschaften verschwinden.

Erhalt und zukünftige Entwicklung des Gebietes

Maßnahmen

Die Ausweisung der Fleuthkuhlen als Naturschutzgebiet war ein erster wichtiger Schritt. Die Wertigkeit eines kleinen Teils der Flächen im Gebiet ist so hoch, dass das Land NRW das Gebiet als Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (kurz FFH-Gebiet) als Bestandteil des europäischen Schutzgebiet-Netzes „Natura 2000“ an die EU gemeldet hat.
Durch Flächenkäufe in den letzten 10 Jahren konnten ca. 1/4 des Gebietes dauerhaft gesichert werden. Hierbei hat sich insbesondere die NRW-Stiftung engagiert, im kleineren Umfang aber auch das Land NRW und der Kreis Kleve. Die Flächen der NRW-Stiftung werden durch das Naturschutzzentrum Gelderland treuhänderisch bewirtschaftet. So dient der Erlös z.B. aus der Landverpachtung der Finanzierung von Pflegemaßnahmen auf den stiftungseigenen Flächen, die in der Regel in Zusammenarbeit mit ortsansässigen Landwirten realisiert werden. Darüber hinaus werden für größere Optimierungsmaßnahmen öffentliche Mittel beantragt.

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Der Kreis Kleve veranlasste bereits 1989 die Erarbeitung eines Biotopmanagementplans, der allerdings nur die damaligen Schutzflächen berücksichtigte. Damit existiert eine wichtige Planungshilfe für Maßnahmen im Gebiet, die in der Zwischenzeit durch das vom Naturschutzzentrum Gelderland neu erarbeitete Gewässerkonzept ergänzt und aktualisiert wurde. Das Naturschutzzentrum Gelderland ist seit 1997 mit der wissenschaftlichen Betreuung des Naturschutzgebietes Fleuthkuhlen beauftragt.
Im Frühjahr 2001 hat das Naturschutzzentrum Gelderland ein Gewässerkonzept für das Naturschutzgebiet Fleuthkuhlen vorgelegt. Das Konzept beschreibt den aktuellen Zustand der Gewässer und bringt frühere Untersuchungen und Planungen auf den neuesten Stand. Gegenüber 1989 ist der ökologische Zustand des Gebietes weitgehend stabil. Aber Gebüsche und Erlenbruchwälder breiten sich aus und drängen Röhrichte zurück. Einzeluntersuchungen aus den 70er Jahren zeigen, dass sich die Lebensgemeinschaften des Gebietes stark verändert haben: Spezialisierte, nährstoffempfindliche Pflanzen- und Tierarten sind verschwunden oder zurückgegangen. Gleichzeitig sind andere, weniger empfindliche Arten neu eingewandert.

Ziel des Naturschutzes für die Gewässer der Fleuthkuhlen ist der Erhalt der großen Vielfalt bei den Verlandungsstadien der Kuhlen (offene Gewässer, Röhrichte, Weidengebüsche, Bruchwälder). Die Entwicklung neuer wertvoller Strukturen soll gefördert werden. Das Gewässerkonzept dient als Orientierungshilfe bei der Entscheidung über zukünftige Maßnahmen im Naturschutzgebiet. In erster Linie soll die natürliche Entwicklung der Gewässer zugelassen werden bei gleichzeitigem Schutz der Flächen vor Nährstoffeinträgen (Grünlandextensivierung, Pufferstreifen). Nur an ausgewählten Stellen sollen vorsichtige Eingriffe z.B. zum Erhalt der Schneiden-Röhrichte durchgeführt werden. Die Neuanlage von Gewässern geht vor Entschlammung, die aus ökologischer Sicht in den kommenden Jahren nicht erforderlich sein wird. Soweit Maßnahmen Privateigentum betreffen sind sie nur in Absprache mit den jeweiligen Eigentümern umsetzbar und müssen frühzeitig abgestimmt werden.

Beispielhafte Maßnahmen auf stiftungseigenen Flächen:

  • Um offene, lichtbedürftige Röhrichte zu erhalten, wurden zahlreiche beschattende Pappeln im Uferbereich der Gewässer entfernt. Dadurch werden z.B. die Lebensbedingungen von Libellen verbessert.
  • Zum Erhalt der in Nordrhein-Westfalen seltenen und stark gefährdeten Schneidenriede werden regelmäßig (im Abstand von mehreren Jahren) aufkommende Gehölze zurückgeschnitten. So wird das imposante Sauergras vor zu starker Beschattung bewahrt

  • Gewässernahe landwirtschaftlichen Flächen wurden mit Bewirtschaftungsauflagen an örtliche Landwirte verpachtet. So konnte die Nutzung der Grünlandflächen extensiviert bzw. gewässernahe Maisacker in extensiv genutztes Grünland umgewandelt werden. Dadurch werden Nährstoffeinträge in die Gewässer deutlich verringert und der Artenreichtum der Flächen gefördert. An einem Gewässer konnte ein 15m breiter und 400 m langer Pufferstreifen zum angrenzenden Ackerland angelegt werden, der ebenfalls der Verringerung von Nährstoffeinträgen dient und ein Nebeneinander von Schutzgebiet und intensiver Landwirtschaft ermöglicht.
  • Die naturnahe Umgestaltung von Uferbereichen (Entfernen von Uferbefestigungen und Angelstegen) sind weitere wichtige Maßnahmen an einigen Kuhlen.

Teilrenaturierung der Fleuthaue im Bereich der stiftungseigenen Flächen

Seit Ende 2000 ist die NRW-Stiftung Eigentümerin von zusammenhängenden Flächen in der Aue der Issumer Fleuth, die sich über eine Länge von ca. 2 Kilometern erstrecken. Für diese Flächen hat das NZ Gelderland ein Konzept zur ökologischen Optimierung des Fließgewässers und seiner Aue erarbeitet: Die vorhandenen Kleinstrukturen (Altarme, Kuhlengewässer, Bruchwaldreste) auf den Flächen sollen aufgewertet und miteinander vernetzt werden. Soweit möglich soll versucht werden Rückhalteräume zu schaffen, die bei Hochwasser durchströmt werden. Gleichzeitig ist eine ökologische Gestaltung der Uferböschungen entlang der Issumer Fleuth (Uferrandstreifen, Schaffen von Buchten, stellenweises Zulassen der natürlichen Entwicklung von Ufergehölzen) angedacht und die Neuanlage von Kleingewässern. Die extensive Grünlandbewirtschaftung in enger Zusammenarbeit mit ortsansässigen Landwirten soll dabei erhalten werden.

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Bis Mitte 2004 wurden mit Unterstützung durch ein professionelles Planungsbüro detaillierte Planunterlagen erarbeitet, eine enge Abstimmung erfolgte dabei auch mit dem zuständigen Wasser- und Bodenverband. Im Frühjahr 2005 konnte eine erste Teilmaßnahme erfolgreich umgesetzt werden: die Wiederanbindung eines abgeschnittenen Altarms an das Hauptgewässer. Hierbei wurden auch die begrenzten Möglichkeiten einer Renaturierung deutlich: infolge jahrzehntelanger wiederholter Räumungen liegt des Flussbett der Fleuth um ca. 30 cm tiefer als das des (zusätzlich verlandenden) Altarms. Um zu verhindern, dass der Altarm durch die Wiederanbindung trocken fällt (und damit auch die umgebenden feuchten Weiden abtrocknen), konnten die Verfüllungen der ehemaligen Durchflüsse nur teilweise entfernt werden. So wird die Verbindung nur bei stärkerem Hochwasser vorhanden sein. Damit ist jedoch ein zusätzlicher Rückhalteraum geschaffen worden.

Torfkuhle